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SOKA-BAU Kritik

Zugehoerigkeit 42 Tätigkeiten

Kritische Fragen zur SOKA-BAU / ULAK (Urlaubskasse)


Die Sozialkassen der Bauwirtschaft basieren auf Tarifverträgen (VTV), den die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter geschlossen haben. Sie werden regelmäßig geändert und dann vom Ministerium (BMAS) für allgemeinverbindlich erklärt. Die Vertragsparteien sind der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e. V. und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e. V.  auf der einen Seite und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt auf der anderen Seite.

Wenn zwei Vertragsparteien etwas vereinbaren und ein völlig unbeteiligter Dritter deswegen etwas bezahlen muss, liegt ein "Vertrag zu Lasten Dritter" vor. Das gilt für alle Tarifverträge, die für allgemeinverbindlich erklärt werden. Fast jeder Mandanten, der neu von der SOKA-BAU gefunden worden ist, versteht nicht, warum er  bezahlen soll.

Allgemeinverbindlichkeitserklärungen (AVE)


Stellen die Tarifparteien einen Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit, wird nur über den Antrag entschieden, nicht über den Inhalt des Tarifvertrag. Ergeben sich aus dem Tarifvertrag Probleme, spielt das bei der Entscheidung des Ministeriums keine Rolle.

Dies ist der wichtigste Kritikpunkt an der SOKA-BAU. Die normale Verjährung war immer 4 Jahre statt 3 Jahre, die allgemein üblich sind. Das hat sich erst ab dem 1. 1. 2019 geändert. Die erhebliche Nachteile für die Unternehmen bleiben. Viele Unternehmer/innen haben noch nie von der SOKA-BAU gehört. Weder Kammern noch Steuerberater haben sie informiert. Daher ist es nicht hinnehmbar, dass sie überhaupt rückwirkend in Anspruch genommen werden. Das Ministerium hat in der Vergangenheit immer die Auffassng vetreten, jeder "Bau"-Unternehmer müsse wissen, dass es auch die SOKA-BAU als Kostenfaktor gibt. Wenn für die Kasse so wenig "Werbung" gemacht wird, wie dies in der Vergangenheit der Fall war, dann wird ein Unternehmen, das unwissend nicht bezahlt hat, zu unrecht für die Vergangenheit in Anspruch genommen. Das Problem liegt in der unzureichenden betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Wer weiß, dass er durch den Sozialkassenbeitrag höhere Kosten hat, muss anders kalkulieren, damit der Kunde die SOKA-BAU Beiträge bezahlt und nicht das Unternehmen. Das geht nur für die Zukunft, nicht für die Vergangenheit. Was für die Vergangenheit verlangt wird, geht ausschließlich zu Lasten des Unternehmens, das sich die hohen Nachzahlungsbeträge oft gar nicht leisten kann. Dagegen ist die Teilnahme ab Kenntnis in der Regel leistbar, wenn die Kosten Teil der Rechnung an den Kunden sind.
"Ungerecht" ist dann eigentlich auch, dass viele Unternehmen immer noch nicht gefunden worden sind. Sie können anders kalkulieren, was zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Die Vorarbeiten zu den AVE-Verfahren haben ergeben, dass nur ca 700.000 Arbeitnehmer erfasst sind, weitere 500.000 aber nicht. Ihnen wird dann auch die spätere ZVK-Rente vorenthalten. Es wird dort auch nicht geprüft, ob Mindestlohn und Mindesturlaub eingehalten sind.

Dies stellt das öffentliche Interesse der gesamten Einrichtung in Frage, da sehr viele Arbeitnehmer von der Regelung nicht profitieren.


SOKA-BAU Beiträge und Zinsen


Wird ein Unternehmen neu erfasst, muss es rückwirkend Beiträge nachentrichten. Dabei kommen je nach Anzahl der gewerblichen Arbeitnehmer schnell sehr hohe Beträge zusammen. Gibt es Probleme mit dem Erstattungsanspruch, was manchmal passieren kann, müssen die Beiträge, die noch offen sind, trotzdem bezahlt werden, dann auch mit Zinsen.

Nicht hinnehmbar sind immer noch die neu beschlossenen Zinsen von 0,9 % pro Monat, die es bei keinem Sparbuch gibt. Der alte Zinssatz von mehr als 12 % pro Jahr hatte sogar den Bundestag überrascht. Die SOKA-BAU ist im Umgang mit ihren "Kunden" von den Abgeordneten heftig kritisiert worden. Tatsächlich war der Bestand der Einrichtung nicht von rückwirkenden Forderugen abhängig. Denn ohne Beiträge gibt es keine Leistungen. Das heißt, jedes Unternehmen ist bezüglich der Kasse zunächst einmal neutral. Das Geschrei nach dem 21. 9. 2016 war nur deshalb so groß, weil die Kasse die Befürchtung hatte auch ohne Beitrag ZVK leisten zu müssen. Die Zinsen sind eine Disziplinierungsmaßnahme, die völlig unangemessen und überzogen ist, eine Machtdemonstration.

Am 20.11.2018 sind jetzt auch die AVE 2016 und das SokaSig für wirksam erklärt worden.

Bereits am 21. 3. 2018 ist die AVE 2015 ist vom BAG  für wirksam erklärt worden. Das öffentliche Interesse wurde bejaht, das die wichtigste Bedingung dafür ist, nach dem § 5 TVG im August 2014 geändert worden war.

Das SokaSiG, das Sozialkassensicherungsverfahrensgesetz der Bauwirtschaft, ist am 25. 5. 2017 in Kraft getreten: Die Landesarbeitsgerichte Frankfurt und Berlin hatten das SokaSiG für verfassungsgemäß erklärt, das BAG am 20. 11. 2018 auch. In der Pressemitteilung heißt es:

"Die Revision der Beklagten hatte vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das SokaSiG ist kein nach Art. 19 Abs. 1 GG verbotenes Einzelfallgesetz. Es stellt lediglich sicher, dass alle verbliebenen Fälle gleichbehandelt werden. Der Gesetzgeber hat die Grenzen beachtet, die aus dem Rechtsstaatsprinzip für echte rückwirkende Rechtsetzung folgen. Ein schützenswertes Vertrauen auf die Unwirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärungen der verschiedenen Fassungen des VTV konnte sich nicht bilden. Die Betroffenen mussten mit staatlichen Maßnahmen zur rückwirkenden Heilung der nur aus formellen Gründen unwirksamen Allgemeinverbindlicherklärungen rechnen.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20. November 2018 - 10 AZR 121/18 - Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12. Januar 2018 - 9 Sa 999/17 -"

Die Begründung überzeugt nicht. Die Unternehmen, bzw. ihre Inhaber vertrauen in die Rechtsordnung und darauf, dass das Ministerium fehlerfrei entscheidet und auch die Interessen der Außenseiter angemessen berücksichtigt. Das war in der Vergangenheit nicht der Fall und kann nicht mehr nachträglich korrigiert werden. Daher ist eine Heilung nicht möglich. Mit diesem Gesetz musste niemand rechnen. Die Unwirksamkeit hat sich auch aus materiellen Gründen ergeben. Das ganze Verfahren war fragwürdig.

Wurde der Bundestag belogen, um einen rechtswidrigen Zustand für alle Zeiten zu zementieren?
Dies ist am 25. 11. 2016 in einer konspirativen Sitzung im Ministerium in einem Spitzengespräch im Beisein der damaligen Ministerin Nahles von der Antragsgegnern des BAG-Verfahrens besprochen und in einem Protokoll festgehalten worden. Im Protokoll steht:" Weiterhin besteht Einigkeit darüber, das Gesetzgebungsvorhaben nicht als politische Angelegenheit zu bewerten, sondern allein als eine notwendig gewordene technische Korrektur." Mit dieser Bewertung sollte verschleiert werden, dass die rechtlichen Voraussetzungen für alle AVEen des VTV Bau 2008 - 2014 nicht vorlagen und immer noch nicht vorliegen. Eine nachträgliche Korrektur hat das BAG (10 ABR 33/15 Rn. 169, 185, 201 und 206) ausdrücklich ausgeschlossen.  

Am 21. 9. 2016 hat das BAG die Allgemeinverbindlicherklärungen des Arbeitsministeriums nach einer langen Verhandlung mit vielen kritischen Fragen an die Antragsgegner für unwirksam erklärt und die Entscheidungen vom LAG Berlin-Brandeburg für die AVE 2008, 2010 und 2014 aufgehoben. Entsprechend das BAG am 25. 1. 2017 für die AVE 2012 und 2013 entschieden. Das BAG hat Rechtsgeschichte geschrieben und mit bemerkenswerter Deutlichkeit gezeigt, wie wichtig Rechtsstaatlichkeit ist. Statt die Kritik des BAG's peinlich berührt entgegenzuehmen und daraus zu lernen startete das Ministerium, unterstützt durch die AVE - Antragsgegner eine Gegenoffensive in der Form eines Gesetzesentwurfs, der leider doch einen Platz im Bundesgesetzblatt gefunden hat. Und nicht nur das: Motiviert durch die Kritik am SokaSiG ist noch ein Bruder, das SokaSiG II wirksam worden, zuständig für die anderen Kassen, denen das gleiche Schicksal drohte.
- Es wurde behauptet, die Existenz der Kasse sei gefährdet. Das stimmt nicht. Das steht schon im BAG-Beschluss. Dazu hat die SOKA-BAU (8/2017) einem Rentner mitgeteilt, die finanzielle Situation der Kasse sei 2016 sehr gut gewesen. Dies habe auch der Wirtschaftsprüfer bestätigt. Wie läßt sich das mit dem Jammern, dass Insolverz drohe, vereinbaren?
- Es wurde behauptet, nur wegen der fehlenden Unterschrift sei die Erklärung unwirksam. Das ist nur ein Grund und nicht der wichtigste. Tatsächlich lagen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Erklärung nicht vor. Das ist dem Ministerium angeblich nicht aufgefallen. Die falschen Zahlen wurden ungeprüft übernommen.
- Durch das Gesetz SokaSiG soll ein angeblich rechtmäßige Zustand wieder hergestellt werden. Tatsächlich wurde der schon immer rechtswidrige Zustand wiederhergestellt. Leider war die Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales am 23. 1. 2017, bei der ich zusammen mit Kollegen als Gast ohne Rederecht auf der Tribüne saß, sehr einseitig. Die Antragsgegner in den BAG - Verfahren waren Sachverständige in eigener Sache und die Außenseiter, die tatsächlich Betroffenen, kamen nicht vor. Daher hat sich für die Abgeordneten ein völlig falsches Bild ergeben, das in 3 Tagen mit dem besten Willen und trotz ganz vielen Anstrengungen nicht mehr korrigiert werden konnte. Bereits am 26. 1. 2017, einen Tag nach der 2. BAG Entscheidung passierte das SokaSiG übereilt und auf massiven Druck der Lobbyisten den Bundestag. Wäre mehr Zeit gewesen, hätten die Abgeordneten mehr kritische Fragen zum System SOKA-BAU gestellt, das für so viel Leid und Elend unter den Betroffenen sorgt.


Es bleibt nur zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht zu § 5 TVG und zum SokaSiG eine faire Entscheidung trifft.

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